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  / buchgeschichte / 19. und 20. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert war nicht nur ein Jahrhundert der politischen Umbrüche, sondern brachte auch eine Flut technischer Neuerungen, die den gesamten Herstellungsprozess des Buches revolutionierten und zu einer Vervielfachung der Buchproduktion führten:
 
Die Langsieb-Papiermaschine, eine Erfindung von Nicholas-Louis Robert, ersetzte den händischen Schöpfprozess durch eine maschinelle Papierherstellung. Die Tiegeldruckpresse und wenig später die Schnellpresse ersetzten das herkömmliche Druckverfahren im eigentlichen Sinn, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1866) wurden diese Pressen von der nochmals leistungsfähigeren Rollenrotationsmaschine abgelöst.
 
Ab diesem Zeitpunkt wurden Bücher standardmäßig mit Verlegereinband und nicht mehr ungebunden verkauft.
Mit Stahlstich, Holzstich und Lithographie zogen auch neue Illustrationstechniken in die Buchlandschaft ein.
 
Aber dennoch entwickelten sich nicht alle Druckverfahren gleich schnell; Stahl- oder Holzstiche waren noch längere Zeit nur in einer Farbe möglich. Aus diesem Grund illustierte man die Bilder in anspruchsvolleren Büchern per Hand.

Grimm, Albert Ludwig: Kindermährchen. Heidelberg, Mohr und Winter, 1817 (2. vermehrte und verbesserte Aufl.)

 

Reprint der 1. Aufl.: Heidelberg, Olms-Weidmann, 1992 (ohne Kolorierung)

 

A.L. Grimm war nicht mit den Gebrüdern Grimm verwandt. - In der Erstausgabe erschien erstmalig das Märchen "Schneewittchen".

Die kleinen Lustwandler - ein unterhaltendes und belehrendes ABC und Lesebüchlein für lernbegierige KInder. Nürnberg, Bauer und Raspe, 1833

handkolorierte Kupferstiche

Das Internet macht auch vor antiquarischen Büchern nicht Halt und krempelte den Antiquariatsmarkt ordentlich um. Zum einen veschwanden viele traditionelle Antiquariate, da der Besuch eines Ladengeschäftes überflüssig geworden ist. Zum anderen profitieren Sammler, die nicht mehr auf "Zufallsfunde" angewiesen sind, sondern online gezielt suchen können.

Sieht man einmal von dem "Modernen Antiquariat" ab, teilt sich den hochwertigen Bereich des Antiquariatsmarktes im deutschsprachigen Raum eine überschaubare Zahl an Playern: 

Zum einen große Auktionshäuser wie Christie's und Sotheby's, aber auch kleinere wie Ketterer Kunst oder ganz auf Bücher spezialisierte Auktionshäuser wie Hartung & Hartung.

Jenseits der Auktionshäuser gibt es eine Vielzahl an kleineren und größeren Antiquariaten, die teilweise ein Ladengeschäft betreiben, teilweise aber auch nur online über antiquarische Plattformen wie ZVAB oder Abebooks (beide gehören heute zu Amazon) anbieten.

Daneben gibt es weltweit nicht einmal eine Handvoll an Antiquariaten, die nahezu alleine (zusammen mit den großen beiden Auktionshäusern) den obersten Bereich des Marktes abdecken. Ein Beispiel hierfür

ist Heribert Tenschert mit seinem Antiquariat Bibermühle in Ramsen/Schweiz, das zu den führenden der Welt gehört. Von dort stammen auch große Teile der Sammlung Buchner.

Eduard und Milly Brockhaus besuchen den Maschinensaal der Druckerei, 1870
Quelle: Keiderling 2005

Aber wie bei allen technischen Neuerungen führten auch diese dazu, dass es eine (kleine) Gegenbewegung gab, die - ebenso wie im 16. Jahrhundert nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern - darauf bedacht war, der "industriellen Ware" besonders schöne Handarbeiten gegenüberzusetzen. Hier finden sich in der Sammlung Buchner zwei Beispiele:

GebettBuch, Handschrift auf Papier, ca. 1820

Andersen, Hans Christian: Der Engel. Märchen. 12 feinste Aquarell-Zeichnungen, montiert auf Karton, ca. 1840

 

wahrscheinlich eine Auftragsarbeit für das österreichische Kaiserhaus

Mit der zunehmenden Industrialisierung des Druck- und Verlagswesens und den damit verbundenen höheren Auflagen und sinkenden Preisen prägten sich einige Spezialitäten aus: In immer mehr Familien gab es beispielsweise ein sog. "Hausbuch", in dem Gedanken, Werte und Vorstellungen an die nächsten Generationen weitergegeben werden sollten: Das Familienoberhaupt wählte einen oder mehrere Texte aus und versah diese mit handschriftlichen Bemerkungen. In vielen Fällen (gerade im katholischen Bayern) wurde eine Ausgabe der Bibel gewählt.

In der Sammlung Buchner befindet sich ein ganz besonderes Hausbuch, nämlich dasjenige des Großbrauers ​Mathias Pschorr: Dieser übernahm 1841 nach dem Tod seines legendären Vaters Joseph Pschorr (1770-1841) die über Münchens Grenzen hinaus führende Hacker-Brauerei, während sein Bruder Georg die kaum minder bedeutende Brauerei "Zum Pschorr" bekam - heute sind beide wieder zu Hacker-Pschorr vereinigt.

Wohl nicht zufällig in zeitlicher Nähe zum Tod des Vaters entschied sich der erfolgreiche Unternehmer Mathias Pschorr für sein Hausbuch für sechs (!) Texte in unterschiedlichen Formaten, die er zusammenbinden ließ und die thematisch seinem Leben nah waren: Abhandlungen über ein glückliches Leben und über das Geldverdienen, aber auch zum Thema Wasser, der Grundlage des Familienunternehmens. 

Dieses Hausbuch von Mathias Pschorr geht aber über die Familie hinaus, indem er ausdrücklich schreibt, dass die Texte zu der "Bierwirthschafts-Instruktion" gehören, die jeder Hacker-Wirt beachten musste. Mathias Pschorr nennt in seinen Eintragungen auf dem hinteren Innendeckel sogar konkrete Buchhandlungen als Bezugsquellen. 
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Hausbuch der Familie Mathias Pschorr, 1840 - zum Vergrößern bitte anklicken!

Trotz der zunehmenden industriellen Buchherstellung gab es auch im 20. Jahrhundert zahlreiche Bibliophile, die Bücher aufwendig produzierten:
Dazu zählt nicht nur der bekannte Insel-Verlag, aus dessen Produktion sich die nummerierte Prachtausgabe von Friedrich Nitzsches "Also sprach Zarathustra" in der Sammlung Buchner befindet, sondern vor allen anderen Harry Graf Kessler, ein in Frankreich und England aufgewachsener deutscher Kunstsammler, Mäzen, Schriftsteller, Publizist, Pazifist und Diplomat. Er gründete 1913 in Weimar die Cranach Presse, in der bis 1931 insgesamt 68 Drucke, die sicherlich zu den schönsten Büchern des 20. Jahrhunderts gehören, erschienen sind.

 

Nitzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra - Ein Buch für alle und keinen. Leipzig, Insel-Verlag, 1908 (nummerierte Expl., in Slg. Buchner Nr. 227/430)

Faksimile: 
Leipzig, Insel-Verlag, 1999

 

Die Sammlung Buchner enthält beide  Ausgaben.

Hugo F. Simon, Georg Bernhard, Harry Kessler:
In memoriam Walther Rathenau:

Weimar, Cranach-Presse, 1922
(nummerierte Expl., in Slg.  Buchner Nr. 48/50)

Die für Bibliophile zweifellos schwierigste Zeit waren die Jahre nach dem 2. Weltkrieg: Auf der einen Seite gab es wenige Rohstoffe und Papier war schwer zu beschaffen. Auf der anderen Seite hatte die Chemie ihren Siegeszug angetreten.
 
Dies führte dazu, dass Papier kostengünstig mit Säure hergestellt wurde und zum Bleichen Chlor zum Einsatz kam - beide Stoffe führten dazu, dass die Blätter der Bücher nicht nur bereits nach wenigen Jahren gelblich wurden, sondern auch schlichtweg zerbröselten - jede mittelalterliche Handschrift ist erheblich robuster als Bücher aus dieser Zeit! 
 
Mit steigendem Wohlstand stieg auch die Qualität des Papieres wieder, so dass man heute in vielen Büchern lesen kann: "gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier".
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